Fürchtet euch nicht!
1. November 2020 – 21. Sonntag nach Trinitatis
Predigttext: Matthäus 10, 26-33
(zum Reformationstag)
1. November 2020 – 21. Sonntag nach Trinitatis
Predigttext: Matthäus 10, 26-33
(zum Reformationstag)
Liebe Gemeinde,
in den letzten Tagen sind mir drei Wörter ganz wichtig geworden. Ich habe viele Gespräche mit Menschen geführt, die ihrem Herzen Luft gemacht haben über ihre momentane Situation. Wie viele Sorgen und Ängste, Vermutungen und Ahnungen bahnten sich Wege nach draußen. Ja, ich habe gerade den Eindruck, dass wir gerade durch den auferlegten Abstand noch mehr Nähe und offene Ohren und Herzen brauchen. Über all den Aussagen spürte ich, dass sich diese drei Wörter wie ein ausgebreiteter Regenbogen über alles legte. Diese drei Wörter heißen: Fürchtet euch nicht. Was für eine Kraft steckt hinter dieser Aussage: Fürchtet euch nicht. In der Bibel kommen sie in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen vor – immer gepaart mit großer Hoffnung und Freude.
Unser Predigttext zum Reformationstag, an den wir gestern erinnert worden ist so ein Hoffnungstext: Matthäus 10, 26b-33
Denn es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird.
Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das verkündigt auf den Dächern.
Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet viel mehr den, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle. Verkauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Haupt alle gezählt.
Darum fürchtet euch nicht; ihr seid kostbarer als viele Sperlinge.
Wer nun mich bekennt vor den Menschen, zu dem will ich mich auch bekennen vor meinem Vater im Himmel.
Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem Vater im Himmel.
Fürchtet euch nicht! Weder vor den Menschen, vor der Zukunft noch vor irgendetwas, was uns von Gott trennen könnte.
Wir leben in einem nachchristlichen Zeitalter. In vielen Teilen unseres Landes spielt der Glaube an Gott keine oder zumindest keine große Rolle mehr. Vor drei Jahren gab es im Ersten Deutschen Fernsehen eine Dokumentationsreihe unter dem Thema: Was glaubst du? Unter anderem wurde ein Film gezeigt über die neuen Bundesländer. Zu sehen waren verlassene Kirchen, Pfarrer mit sehr wenig Gemeindegliedern. Alles wirkte bedrückend. Und am Ende des Films wurde der Ort gezeigt, in dem mein Mann und ich zuletzt wohnten – Niesky. Diese Kleinstadt wurde als ein atheistischer Ort dargestellt. Der Reporter selbst sprach dann davon, dass er zuletzt eine Kinderbibel in der Hand gehalten hatte und dann aber später nichts mit Kirche und Glauben anfangen konnte. Ich war geschockt und zugleich spiegelt diese Reportage eine Wirklichkeit wieder, die sich immer mehr ausbreitet. Es gehört zum guten Ton, dass in Kabaretts der christliche Glaube lächerlich gemacht wird. Dazu braucht es gar keine Diktatur. Seinen Glauben offen zu bekennen, dazu gehört Mut, viel Mut.
Einer, der mit sich und seinem Leben gerungen hat, war Martin Luther. Er dachte viel über sein Leben und die Beziehung zu Gott nach. Er prangerte die Missstände der Kirche an, die Menschen dazu bewegte, mit Geld alle eigenen Fehler und Schwächen zu begleichen und sich damit einen Platz im Himmelreich zu erkaufen. Luther entdeckte in der Bibel im Römerbrief, dass wir Menschen nicht aus eigener Kraft gerecht werden können. Wir alle haben Schattenseiten in unserem Leben und können uns daraus nicht selbst befreien. Auf der Suche nach einem gerechten Leben fand er in Römer 3, 28 den entscheidenden Satz: So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.
Diese Erkenntnis krempelte Martin Luthers ganzes Leben um. Es befreite ihn aus seiner eigenen Gefangenschaft von Gesetzlichkeiten und machte ihn mutig, gegen Missstände seiner Zeit aufzustehen – mutig zu werden. Er wusste, dass er sich damit in Lebensgefahr brachte. Aber es war ihm wichtig, den Glauben öffentlich zu bekennen. Er übersetzte auf der Wartburg das neue Testament in unsere Sprache, so dass wir sie selber lesen und verstehen können.
Mutige Menschen, die ihren Glauben auch unter Lebensgefahr bekennen. In über 50 Ländern der Erde werden rund 260 Millionen Menschen verfolgt, weil sie sich zu Jesus Christus bekennen. Es ist in unserer Zeit die größte Christenverfolgung, die es je gab. Unvorstellbar, was sie durchmachen müssen, aber sie halten sich an Jesus Christus fest.
Diesen Mut und diesen Einsatz wünsche ich auch uns. Ich merke auch bei mir selbst, dass die äußeren Umstände gerade eher niederdrücken. Eine unsichtbare Bedrohung nimmt unser Denken und Handeln gefangen und legt sich wie eine schwere Kette um die Seele. Wie befreiend klingt da das Wort: Fürchtet euch nicht an meinem Ohr. Es hilft mir, den Blick weg von mir zu lenken auf den, der uns durch diese Zeit begleiten will. Wie schnell lassen wir uns mitreißen in den allgemeinen Trauergesang, dass wir ja sowieso nichts ändern können. Unser Herr ist da und will uns unsere Ängste nehmen. Er will uns Mut und Hoffnung geben für unser Leben. Er öffnet uns den Blick für die Menschen um uns herum, die unsere Ohren und Herzen brauchen. Er macht uns phantasievoll und durchbricht die Mauer des Abstandes. Auf einem Aufkleber konnte ich in den vergangenen Tagen lesen: Zu Gott brauchst du keinen Abstand halten. Dieser Satz macht mir Mut.
Er hört uns zu und macht uns Mut – jeden Tag. Sein Fürchtet euch nicht gilt uns allen. Seine Liebe und all das Gute und Mutmachende, was er uns in seinem Wort gegeben hat, soll sich wie ein Regenbogen über der Erde ausbreiten. Wir sind ihm nicht egal und wir sind ihm kostbar – so heißt es im Predigttext. Etwas, was kostbar ist, damit gehen wir sorgsam um. Die kostbare Vase zum Beispiel bekommt einen besonderen Platz, wo sie von vielen gesehen wird und doch geschützt steht. So geht auch Jesus mit uns – mit jedem Einzelnen von uns um.
Gott, unser Herr möchte, dass wir mit ihm reden und von ihm erzählen. Wir können ihm unser Herz ausschütten und ihm mit allem in den Ohren liegen. So, wie es Martin Luther getan hat. Er hat mit Gott geredet und seine Gebete kennen wir noch heute.
Ich möchte die Predigt mit dem Morgengebet Martin Luthers schließen:
Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast, und bitte dich, du wollest mich diesen Tag auch behüten, vor Sünden und allem Übel, das dir all mein Tun und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände. Dein Heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.
Amen
Gabriele von Dressler